Die Textiler am linken Niederrhein haben eine tolle Tarifrunde hingelegt: Postkartenaktion, Fotobox, Valentinstagbutton, Kappenaktion, Betriebsversammlungen, verhandlungsbegleitende Aktionen (Tarifsnack, Kaarst) und zwei gute Warnstreikwellen haben so viele Menschen in (Tarif-) Bewegung gesetzt wie noch nie – Danke!
Mehr Geld und bessere Altersteilzeit in der Textilindustrie West
Der Tarifabschluss in der Textilindustrie West: 1000 Euro netto sofort, 4,8 Prozent mehr Geld ab Oktober. Im April 2024 weitere 500 Euro netto, 3,3 Prozent mehr ab September 2024. Die unteren Einkommen und Auszubildende bekommen überproportional mehr. Die Altersteilzeit wird verlängert und verbessert.
24.000 Textil-Beschäftigte waren in den letzten Wochen im Warnstreik – so viel wie seit 30 Jahren nicht mehr. Die Warnstreiks brachten die entscheidende Wende in den stockenden Tarifverhandlungen: Der Tarifabschluss in der westdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie bringt mehr Geld und eine verbesserte Altersteilzeit.
Mehr Geld
April/Mai 2023: Inflationsausgleichsprämie 1000 Euro netto, Auszubildende 500 Euro
Oktober 2023: 4,8 Prozent mehr Geld – mindestens 130 Euro, auch für Azubis
April 2024: Inflationsausgleichsprämie 500 Euro netto, Auszubildende 250 Euro
September 2024: 3,3 Prozent mehr Geld – mindestens 100 Euro, auch für Azubis
Die Laufzeit: 24 Monate
In der Textil- und Bekleidungsindustrie arbeiten rund 100.000 Beschäftigte.
Extraplus für untere Einkommen und Auszubildende
Durch die Mindestbeträge von 130 und 100 Euro erhöhen sich die unteren Entgeltgruppen und Ausbildungsvergütungen überproportional. Alle Beschäftigten haben dadurch in den nächsten zwei Jahren mindestens 4310 Euro mehr im Geldbeutel. Auszubildende erhalten ein sattes Extraplus von rund 3500 Euro.
Bessere Altersteilzeit
Die tarifliche Altersteilzeit wird verlängert und verbessert: Die Aufzahlung durch den Arbeitgeber auf das Altersteilzeitentgelt steigt 2023 von 650 auf 700 Euro, sowie 2024 auf 750 Euro im Monat.
Entlastung für Beschäftigte – Zukunft für die Betriebe
„Das Tarifergebnis bedeutet eine spürbare Entlastung für die Geldbeutel der Beschäftigten angesichts der Inflation“, meint IG Metall-Verhandlungsführerin Miriam Bürger. „Zudem ist das Tarifergebnis ein wichtiger Schritt, um die Zukunft der Betriebe zu sichern: Ob die Beschäftigten gerne und langfristig in der Textil- und Bekleidungsindustrie bleiben, ist abhängig von dem, was sie am Ende des Monats im Geldbeutel haben.“
Der zunehmende Fach- und Arbeitskräftemangel war auch ein wichtiges Argument der IG Metall in den Verhandlungen mit den Arbeitgebern.
Warnstreiks waren entscheidender Faktor
Vor allem jedoch brachte die Rekordbeteiligung an Warnstreiks die Arbeitgeber zum Einlenken. Zuvor hatten sie in drei Verhandlungsrunden kein verhandlungsfähiges Angebot vorgelegt. Die Forderung nach der Verlängerung der Altersteilzeit wiesen sie als „aus der Zeit gefallen“ zurück.
Von wegen „Rituale“: „Unsere Warnstreiks haben die Arbeitgeber beeindruckt. Der Ton in der Verhandlung war gleich viel respektvoller“, berichtet Christian Schnellbach, Betriebsratsvorsitzender des Airbag-Herstellers Global Safety Textiles in Murg und Bad Säckingen/Baden-Württemberg und Mitglied der IG Metall-Verhandlungskommission. „Bei den Warnstreiks waren diesmal auch viele Betriebe dabei, wo früher eher wenig ging. Die Arbeitgeber haben gesehen, dass die Beschäftigten es ernst meinen. Das haben sie uns nicht zugetraut.“
Auch vor der entscheidenden Verhandlung am Freitag in Billerbeck/NRW haben 800 Textilerinnen und Textiler vor dem Verhandlungshotel demonstriert.
25 Jahre Textilerinnen und Textiler in der IG Metall
Der Tarifabschluss fällt auf den fünfundzwanzigsten Jahrestag der Integration der Gewerkschaft Textil und Bekleidung (GTB) in die IG Metall am 1. April 1998. Von den einst eine Millionen Beschäftigten in der Textil- und Bekleidungsindustrie sind damals noch 170.000 übrig – und die GTB ist allein nicht mehr stark genug. Der Gewerkschaftstag der GTB beschließt daher, sich der IG Metall anzuschließen.
Ihren letzten großen Arbeitskampf führte die GTB vor 30 Jahren. In einem zweitägigen Streik setzten 5.500 GTB-Mitglieder eine Tariferhöhung um 2,1 Prozent durch. Sie hatten 6 Prozent gefordert. „Geschichte muss sich nicht wiederholen“, meint die heutige Verhandlungsführerin Miriam Bürger. „Eine solche Eskalation wie vor 30 Jahren konnten wir heute abwenden – und zeigen, dass wir uns durchsetzen und Zukunft gestalten können“.