Recht haben, Recht kriegen, Recht sprechen…
Ein Praxisbeispiel aus dem Sozialgericht von Theo Steegmann
Auf Vorschlag der Gestaltungsstelle bin ich seit einigen Jahren ehrenamtlicher Richter am Sozialgericht Düsseldorf. Die ehrenamtlichen Richter*innen werden auf Vorschlag der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände ernannt, mit den hauptamtlichen Richter*innen sind wir also zu dritt und haben Stimmrecht. Die Richter*innen sind bestrebt, einstimmige Ergebnisse zu erzielen, abweichende Stimmen werden im Protokoll vermerkt.
Ein Fall aus der Praxis: Die Klägerin klagte gegen die Rückzahlungsforderung der Krankenkasse über mehrere Tausend Euro. Es fehlte ein Tag bei der Fortsetzung der Krankschreibung, ein Fehler, den die Arztpraxis verschuldet hatte. Der Arzt war aber nicht bereit, den Fehler zuzugeben (vielleicht befürchtete er seinerseits Rückzahlungsforderungen). Die Vertreterin der Krankenkasse hatte keinen Handlungsspielraum, da ihr Controlling auf der Rückzahlung bestand. Der zuständige Richter sah auch keine Möglichkeit, die Rückzahlungsforderung abzuwehren.
Ich machte den Vorschlag, nochmal mit dem Arzt zu sprechen und ihn von möglichen Klagen seitens der Beklagten freizustellen – ob es genutzt hat, weiß ich nicht. Daß viele, die ich in den mündlichen Verhandlungen erlebt habe, eine Wut auf den bürokratischen Sozialstaat entwickeln, kann ich gut verstehen. Zu dem Thema gibt es einen sehr guten Film von Ken Loach:“ Ich – Daniel Blake“ (auf den Spuren eines kalten Sozialstaates). Spielt zwar in Nordengland, aber kommt einem alles sehr bekannt vor.