Klientelpolitik abgewählt
Die Abgeordneten des 18. Bundestages sind gewählt. Der CDU ist die marktliberale FDP als Koalitionspartner weggebrochen. Unabhängig davon, welche Parteien die Regierung bilden, eines ist sicher: Im Bundesrat dominiert Rot-Grün. Martin Allespach und Michael Guggemoos bewerten das Wahlergebnis*.
Schwarz-Gelb hat ausgedient, ein „Weiter so“ ist abgewählt: Die Bürgerinnen und Bürger haben die neoliberale Klientelpolitik der FDP abgestraft. Die SPD hat hinzugewonnen, aber ihr Ziel einer rot-grünen Mehrheit nicht erreicht. Der Höhenflug der Grünen ist jäh gestoppt. Die Linke stabilisiert sich als feste Größe im Bundestag.
Die CDU/CSU als stärkste Fraktion muss sich nun einen neuen Koalitionspartner suchen. Das eröffnet Chancen, die politische Richtung zu ändern. Hin zu einer gerechteren Arbeitsmarktpolitik, einer fortschrittlicheren Bildungspolitik und zu einem solidarischen Europa. Für die Gesetzgebung sind jedoch nicht nur die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag wichtig, sondern auch die im Bundesrat. Dort hat Rot-Grün mindestens bis 2016 die Mehrheit. Die politische Macht verteilt sich also in Bundestag und Bundesrat auf CDU/CSU, SPD und Grüne. Darauf müssen sich die Gewerkschaften einstellen.
Politisch glaubwürdig
Es ist nicht Aufgabe der Gewerkschaft, für die eine oder andere Partei oder eine parteipolitische Koalition zu trommeln, sondern in allen demokratischen Parteien dafür zu werben, dass gewerkschaftliche Positionen in praktische Politik umgesetzt werden. Dabei muss der Weg der letzten Jahre fortgesetzt werden. Die IG Metall hat Stärke bewiesen und – neben ihrer Betriebs- und Tarifpolitik – viele politische Inhalte vorantreiben können. Ohne die IG Metall würde beispielsweise kein Politiker über den Missbrauch von Werkverträgen reden und durch den Druck der Gewerkschaften findet sich der Mindestlohn in den meisten Parteiprogrammen.
Die Stärke der IG Metall ist ihre politische Glaubwürdigkeit sowie ihre betriebs- und gesellschaftspolitische Handlungsfähigkeit. Letztere gilt es, über gute Tarifverträge, neue Mitglieder und eine feste betriebliche Verankerung durch aktive Betriebsräte und Vertrauensleute auszubauen.
Tarifautonomie stärken
Der Wahlkampf ist Geschichte. Jetzt geht es um Lösungen für politische und gesellschaftliche Herausforderungen. Wir brauchen eine Neuordnung auf dem Arbeitsmarkt. Um soziale Missstände durch prekäre, schlecht bezahlte Jobs zu beseitigen, braucht es eine Stärkung der Tarifautonomie und mehr Mitbestimmung, sowohl im Betrieb als auch im Aufsichtsrat: Eine gerechte Balance zwischen den Ansprüchen der Beschäftigten und den Flexibilitätswünschen der Unternehmen wird es nur geben, wenn Betriebsräte und Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten mehr Rechte bekommen.
Geld für Bildung
Wir brauchen zudem Investitionen in die Energiewende, in Forschung und Wissenschaft, in die Infrastruktur sowie in die sozialen und kulturellen Dienstleistungen. Seit vielen Jahren lebt Deutschland von der Substanz. Es ist höchste Zeit, klug zu investieren. Andernfalls droht uns ein Verlust von Wertschöpfung und damit von Arbeitsplätzen. Junge Leute sind die wichtigste „Ressource“ für eine gute Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb fordert die IG Metall auch eine moderne Bildungspolitik, von der Kita bis zur Hochschule.
All das kostet Geld. Es ist aber Geld, das dem ganzen Land zugutekommt. Ohne höhere Steuereinnahmen des Staates wird es nicht gehen. Deshalb müssen hohe Einkommen und hohe Privatvermögen stärker an der Finanzierung unser aller Zukunft beteiligt werden.
Die Bundestagswahl hat die politischen Mehrheitsverhältnisse neu geordnet. Aber der Streit über die richtigen Antworten auf die Probleme und Herausforderungen ist damit nicht erledigt, sondern neu eröffnet. Der Ball liegt jetzt im Spielfeld von Kanzlerin Merkel. Sie ist gefordert, mit einem neuen Koalitionspartner die sozialen Themen, die sich die CDU im Wahlkampf auf die Fahnen geschrieben hat, mit konkreten politischen Schritten umzusetzen. Daran werden die Gewerkschaften die neue Regierung messen.