Hohe Arbeitsbelastungen setzen der Lebensarbeitszeit Grenzen. Wie lange Beschäftigte im Job durchhalten, hängt stark vom Beruf ab.
Wenn Arbeitnehmer bis ins hohe Alter beruflich aktiv sein sollen, müssen die Voraussetzungen auf betrieblicher Ebene stimmen. Wie es aktuell um die Arbeitsbedingungen und die gesundheitliche Situation älterer Erwerbstätiger steht, hat Sarah Mümken vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) untersucht. Für den neuen, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Altersübergangs-Report hat die Sozialwissenschaftlerin Daten der Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ausgewertet. Während die körperlichen Strapazen der Analyse zufolge über die Jahrzehnte abgenommen haben, ist die seelische Belastung bei der Arbeit insbesondere für Ältere stärker geworden. Die Chancen, bis zum Erreichen des regulären Rentenalters erwerbstätig zu sein, sind eher ungleich verteilt.
Nach Mümkens Berechnungen waren 2012 knapp 6,2 Millionen oder 17 Prozent aller Erwerbstätigen mit einer Wochenarbeitszeit von zehn oder mehr Stunden mindestens 55 Jahre alt. Je nach Tätigkeit gibt es deutliche Unterschiede: Am höchsten ist die Quote mit 23,1 Prozent bei den sogenannten Professionen, zu denen freie oder hochqualifizierte Berufe wie der des Arztes, Lehrers oder Richters gehören. Am wenigsten Ältere finden sich anteilig in den „qualifizierten Diensten“, also beispielsweise unter Polizisten, Feuerwehrleuten oder Friseurinnen, von denen nur 13,8 Prozent älter als 54 sind.
Was die Arbeitszeit angeht, sind keine gravierenden Unterschiede zwischen den Altersgruppen festzustellen, konstatiert die IAQ-Forscherin. So arbeiten Männer im Alter von 55 bis 59 Jahren im Schnitt 43,1 Stunden pro Woche, 60- bis 64-Jährige 43,2 Stunden und jüngere 44 Stunden. Das zeige, dass Arbeitszeitverkürzung im Alter bislang kaum genutzt wird. Mümkens Erklärung: Entweder hätten Ältere ähnliche Vorlieben wie ihre jüngeren Kollegen – oder es mangele an Teilzeitangeboten.
Bei den Anforderungen an Körper und Psyche sieht es ähnlich aus: Von Strapazen wie langem Stehen, Lärm, Termin- oder Leistungsdruck sind ältere Erwerbstätige nur geringfügig seltener betroffen als die unter 55. Auch die wahrgenommene Belastung durch die Arbeitsbedingungen ändert sich laut der Analyse kaum mit dem Alter. Vergleicht man die aktuellen Befragungsergebnisse mit denen von 1979, zeigt sich ein deutlicher Rückgang bei den körperlichen Beanspruchungen. Dagegen hat der psychische Stress allgemein zugenommen, besonders stark bei den Älteren.
Die Folgen langjähriger Belastungen schlagen sich in der Gesundheit nieder. Unter den Jüngeren schätzen neun von zehn Erwerbstätigen ihre Gesundheit als gut ein, unter den Älteren sind es noch acht von zehn. Am schlechtesten schneiden die 55- bis 59-Jährigen ab. Die Autorin führt das auf einen Selektionseffekt zurück: Wer danach nicht mehr länger arbeiten kann, scheidet vorzeitig aus dem Erwerbsleben aus, sodass die Rüstigen im Job verbleiben. Im Laufe der Zeit habe dieser Effekt noch zugenommen. Die verbleibenden vorzeitigen Rentenzugangsmöglichkeiten würden – vermutlich gezwungenermaßen – stärker als früher von gesundheitlich beeinträchtigten Erwerbstätigen genutzt.
Die Chancen auf ein beschwerdefreies Arbeiten im Alter variieren mit der Tätigkeit. Besonders in den landwirtschaftlichen Berufen nähmen Klagen über Rückenschmerzen oder Erschöpfung mit dem Alter zu und seien deutlich häufiger als beispielsweise in hochqualifizierten Berufen, so die Expertin. Ähnliche berufsspezifische Muster macht sie bei den Ruhestandswünschen aus: Von den über 44-Jährigen, die in einem Produktionsberuf tätig sind, möchten etwa 70 Prozent vorzeitig in Rente, bei den Professionen nur 42 Prozent. Bei den Motiven dominieren in den Agrarberufen gesundheitliche Gründe oder der Verweis auf „sehr anstrengende Arbeit“ mit zusammen 83 Prozent. Dagegen würden über zwei Drittel der Ingenieure gern mehr Zeit für private Interessen haben.
Dass die Aussichten, jenseits der 60 noch erwerbstätig sein zu können, so ungleich verteilt sind, hält Mümken für problematisch: Wenn alle Beschäftigten länger arbeiten sollen, müssten auch für diejenigen geeignete Arbeitsplätze vorhanden sein, die gesundheitliche Probleme haben.