Deutsche Städte brauchen dringend Unterkünfte für Flüchtlinge. Münchner Metaller haben das früh erkannt: Als bei Siemens ein großes Gebäude frei wurde, wurde der Betriebsrat aktiv. Nun wohnen dort Flüchtlinge.
Was der Betriebsrat der Münchner Siemens-Niederlassung unternommen hat, wirkt aus heutiger Sicht fast prophetisch. In kaum einer europäischen Stadt sind in den vergangenen Wochen so viele Flüchtlinge angekommen wie in München. Zehntausende Menschen müssen kurzfristig untergebracht werden. Als hätten sie es kommen sehen, haben sich die Siemens-Betriebsräte schon vor knapp einem Jahr um Wohnraum für Flüchtlinge gekümmert.
Im Oktober 2014 zog ein Siemens-Standort vom Stadtteil Bogenhausen nach München-Perlach. Die alte Niederlassung stand erst einmal leer. Dabei waren die Gebäude in gutem Zustand. Es gibt viel Platz, Toiletten, eine Kantine. Eine passende Erstunterkunft für Flüchtlinge.
Metaller werden aktiv
Nükhet Kivran ergriff die Initiative. Sie ist nicht nur Betriebsrätin bei Siemens München sondern auch Vorsitzende des städtischen Ausländerbeirats. Bei einer Besichtigung der Münchner Bayernkaserne hatte sie den Platzmangel mit eigenen Augen gesehen. „Da mussten Leute nach der Ankunft auf der Straße schlafen“, sagt die Metallerin. „Diese Info habe ich an den Betriebsrat weitergegeben.“
Dann ging alles sehr schnell: Erst ein einstimmiger Beschluss des Betriebsrats. Und am nächsten Tag ein Brief an Siemens-Chef Joe Kaeser. Darin die Bitte, das leerstehende Siemens-Gebäude für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Wieder nur einen Tag später kam Kaesers Antwort: Er bedankte sich für die Idee und teilte mit: „Bitte werden sie tätig!“ Den Kontakt zu den Behörden stellte Betriebsrätin Kivran her.
„Ermutigende Erfahrung“
Mittlerweile sind zahlreiche Flüchtlinge eingezogen. Rund 150 aus 12 Nationen. Frauen, Männer ganze Familien, sogar ein Neugeborenes. Anfang September haben acht Münchner Siemens-Betriebsräte die Unterkunft besucht – um zu sehen, was aus ihrer Idee geworden ist.
Ihr Eindruck: Das Zusammenleben auf engem Raum, ohne regelmäßige Beschäftigung und Arbeit, ist nicht einfach. Aber an Integrationswillen scheint es nicht zu fehlen. Die angebotenen Sprachkurse sind ausgebucht.
In den nächsten Wochen wollen die Betriebsräte ihre Hilfe ausbauen: mehr Sprachkurse, Hilfe bei Anträgen oder Behördengängen. Die Jugend- und Auszubildendenvertreter von Siemens München wollen Projekte für jugendliche Flüchtlinge starten. Die Resonanz unter den Siemens-Kollegen ist groß.
Fazit von Metallerin Kivran: „Dass die Reaktionen so positiv sind, hätte ich nicht gedacht. Das ist eine sehr ermutigende Erfahrung.“