Der Verdrängungswettbewerb in den Betrieben treibt immer hässlichere Blüten. Seit vielen Jahren sind es Leiharbeiter, die zu wesentlich schlechteren Arbeitsbedingungen in den Firmen immer mehr Arbeit von der Stammbelegschaft übernehmen. Noch lohnender ist es aber offenbar für die Unternehmen, auf Werkvertragsunternehmen statt auf Leiharbeiter zurück zu greifen. Lukrativ wird dieses Geschäftsmodell, weil diese Unternehmen nicht nur durch Dumpinglöhne auffallen.
Einen Höhepunkt in der Geschichte der Skandale setzt jetzt die Firma HL Logistik GmbH, die zudem durch unglaubliches Union Busting (zu Deutsch etwa: Bekämpfung von Gewerkschaften) von sich reden macht.
Die Firma Bilstein im westfälischen Hagen-Hohenlimburg mit 770 Beschäftigten und einem Versand von 500.000 Tonnen jährlich bezeichnet sich selbst als Europas führendes Kaltwalzunternehmen.
Stolz ist man dort insbesondere auf die „ausgefeilte Logistik für Transport und Lagerung“, was letztlich zu einer schnellen Verarbeitung der Aufträge beiträgt. Zirka 30 überwiegend als Stapler- und Kranfahrer eingesetzte „Bilsteiner“ hatten den innerbetrieblichen Transport erledigt.
Werkvertragsunternehmen im Betrieb
Doch das war einmal.
Bilstein wollte besser und flexibler werden und die interne Logistik weiter verbessern.
Da kamen die Spezialisten der Firma HL Logistik aus dem schwäbischen Ebersbach gerade recht. Dieses Unternehmen hat sich „Personaloutsourcing auf die gute Art und Weise“ auf die Fahne geschrieben. Ihr Geschäftsführer Haller erhielt den Zuschlag: Seit November 2011 wird der innerbetriebliche Warentransport nicht mehr von Bilstein-Mitarbeitern erledigt. Als Werkvertragsunternehmen hat man sich Hallers HL in den Betrieb geholt.
Flexibleres Arbeiten?
Entlassen wurde bei Bilstein dafür niemand. Im Gegenteil: Den eigenen Beschäftigten wurden andere, teilweise sogar bessere Arbeitsplätze mit höheren Verdiensten angeboten. Der Betriebsrat des Walzwerks wurde mit der Aussicht auf mehr Flexibilität informiert: „Jetzt kommen Spezialisten“, verkündete die Geschäftsleitung. Standzeiten der Maschinen wegen fehlenden Materials sollten durch einen besser organisierten Arbeitsablauf durch HL der Vergangenheit angehören. Und darüber hinaus wird bei der Bilstein-Führung möglicherweise auch ein wenig die Hoffnung auf höheren Betriebsgewinn als Triebfeder gewirkt haben. Outsourcing ist immer mit der Erwartung auf Gewinnmaximierung verbunden.
Keine Mitbestimmung des Betriebsrates
Genauen Einblick in die Vertragsgestaltung erhielt der Betriebsrat von Bilstein nicht. Bei der Beauftragung von Firmen als Werkvertragsnehmer hat der Betriebsrat kaum Mitbestimmungsrechte. „Wir wissen nicht, wer und wie viele Mitarbeiter von HL hier arbeiten“, beklagt sich Petros Andreou, Betriebsratsvorsitzender und langjähriges Mitglied der IG Metall.
Doch wer auf eine Verbesserung der innerbetrieblichen Logistik gehofft hatte, sah sich schnell enttäuscht. Es kamen nämlich mit der Firma HL keine Profis in den Betrieb. Schlecht bezahlte, meist angelernte Arbeiter waren es, die unter hohem Arbeitsdruck ihr bestes gaben. Eine ständige Fluktuation herrscht vor.
Lohndumping durch HL
Kein Wunder: Die HL-Staplerfahrer erhielten anfangs einen Grundlohn von nur 1.700 Euro, mittlerweile erhöht auf 1.750 Euro. Dafür beträgt die Wochenarbeitszeit stolze 42 Stunden und der Urlaubsanspruch nur 25 Tage jährlich.
„Unsere eigenen Staplerfahrer wurden nach der Entgeltgruppe 5 mit 2435 Euro Grundgehalt entlohnt, bei der in der Metallindustrie üblichen 35-Stunden-Woche“ vergleicht Birger Hollatz, freigestelltes Betriebsratsmitglied bei Bilstein und ebenfalls IG Metaller.
Der Arbeitsdruck der HL-Leute ist enorm. Problematisch ist dort nicht nur die Einhaltung der Pausen, sondern auch der gesetzlichen Ruhezeiten. Auch Sicherheitsprobleme sind unverkennbar. Genaue Informationen erhält der Bilstein-Betriebsrat nicht. Aber: „Wir haben das Gefühl, es geht jetzt mehr kaputt“, so Betriebsrat Andreou, „Gott sei Dank bisher nur Sachschäden“.
Arbeitsdruck und Unfallgefahr
Dies ist bei dem gegebenen Arbeitsdruck, der hohen Fluktuation und der offenbar schlechten Qualifizierung der HL-Leute kein Wunder. Nur so ist es zu erklären, dass ein Staplerfahrer der Firma HL innerhalb von nur zwei Wochen drei Schäden während seiner Arbeit verursacht hat, wofür er auch die Kündigung erhalten hat.
Und auch mit der Gewinnerhöhung durch die Vertragsbeziehung zum Werkvertragsnehmer scheint es nicht weit her zu sein: Während der innerbetriebliche Transport früher von zirka 30 Bilstein-Mitarbeitern erledigt wurde, braucht HL immerhin 44 Leute. Das spricht alles nicht gerade für die versprochene Auftragserledigung durch Spezialisten.
Und auch nicht für eine Erfolgsgeschichte durch Auslagerung der Arbeit.
Union Busting durch HL
Unglaublicher Höhepunkt, der den gewerkschaftsfeindlichen Umgang der HL-Geschäftsleitung mit ihren Mitarbeitern aufzeigt, ist eine Stellenausschreibung, mit der eine besonders verantwortungsvolle Position für Springer ausgelobt wurde: Herausragende Mitarbeiter werden für diesen Posten gesucht. Die versprochene Vergütung entspricht aber nicht annähernd der hervorgehobenen Stelle: Ein Grundlohn von 1850 Euro zuzüglich Prämie wird angeboten, und das in der 42-Stunden-Woche. Für diesen Dumpinglohn erwartet Geschäftsführer Haller bedingungslose Loyalität. Unglaublich, aber wahr: Bedingung für diesen Job, so schwarz auf weiß, ist der Austritt aus der Gewerkschaft und ein Verzicht auf Beratung durch den Betriebsrat!
Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit
Karsten Braun von der Gewerkschaft ver.di Hagen, der den HL-Betriebsrat betreut, ist entsetzt: „Das ist ein Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz und ein unakzeptabler Angriff auf die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit!“
Dem Bilstein-Betriebsrat sind bezogen auf die HL-Mitarbeiter die Hände gebunden. Die Vertragsgestaltung mit der Beauftragung der Firma HL als Werkvertragsnehmer schließt jegliche betriebliche Mitbestimmung aus. Der Betriebsrat wurde von der Bilstein-Geschäftsführung dringend darauf hingewiesen, dass die HL-Leute nicht seinem Zuständigkeitsbereich unterliegen.
Keine Mitbestimmung bei Werkvertragsnehmern
Dieser Hinweis entspricht leider der aktuellen Rechtslage. Im Gegensatz zu Leiharbeitern unterliegen Mitarbeiter von Werkvertragsnehmern keinerlei Mitbestimmung des Betriebsrates des Auftraggebers. „Wir brauchen hier unbedingt die Unterstützung aus der Politik“, so Betriebsrat Andreou mit Blick auf die bestehende Gesetzeslücke. Auf die Gefahr einer Spaltung der Belegschaft weist sein Kollege Hollatz hin.
Auch bei den Arbeitskollegen im Betrieb herrscht Unmut, sicherlich auch aus Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Immerhin sind bei Bilstein schon andere Bereiche ausgegliedert und an Fremdfirmen vergeben worden. Alle diese Bereiche entziehen sich jetzt der betrieblichen Mitbestimmung durch den Bilstein-Betriebsrat, was den Ruf nach gesetzlichen Regelungen für die Beauftragung von Werkvertragsunternehmen berechtigt macht.
„Arbeit hat auch einen Wert“
Und die Gewerkschafter machen sich mit Blick auf die Arbeitsbedingungen bei HL Sorgen über die Entwertung der Arbeit: „Arbeit ist keine Ramschware, Arbeit hat auch einen Wert“, so Petros Andreou.
Mittlerweile hat vor dem Hintergrund eines von der Gewerkschaft ver.di angekündigten Strafantrages ein Gespräch mit der Geschäftsleitung der Firma HL unter Beteiligung von ver.di Hagen sowie des DGB Regionsgeschäftsführers Jochen Marquardt stattgefunden. Geschäftsführer Haller hat die gewerkschaftsfeindlichen Voraussetzungen in seiner Stellenausschreibung „zurück genommen“ und sich entschuldigt.
Und die Geschäftsführung der Firma Bilstein hat, offenbar als Reaktion auf die jüngsten Ereignisse, dem Betriebsrat mitgeteilt, dass man sich zum Jahresende von HL trennt und den innerbetrieblichen Transport wieder in Eigenregie durchführt.
Michael Mey, Rechtsschutzsekretär und Onlineredakteur, Hagen
Hintergrundinformationen des DGB zum Thema „Betriebsrat und Werkverträge“ erhalten Sie hier: