Die Handelsliberalisierung zwischen EU und den USA führt zu mehr Druck auf die Arbeits- und Sozialstandards. Vor allem der geplante Investitionsschutz kann zur Beeinträchtigung von Arbeitnehmerrechten führen. Die IG Metall sagt dazu eindeutig Nein.
Soviel vorneweg: Das Tauziehen um das Freihandelsabkommen TTIP geht schon seit über ein Jahr. Bedenken von der IG Metall und anderen Gewerkschaften konnten in einem Konsultationsverfahren zum Investitionsschutzkapitel geäußert werden. Fakt ist jedoch, dass grundsätzliche Mängel nicht beseitigt wurden. Bedrohlich ist vor allem, dass Investoren weitreichende Schutzrechte bekommen sollen. Ausländische Investoren sollen das Recht erhalten, gegen staatliche Entscheidungen zu klagen, die die Rentabilität ihrer Investitionen beeinträchtigen. Was das heißt, zeigt die Klage einer französischen Firma gegen Ägypten, wo der gesetzliche Mindestlohn erhöht werden soll. Bekommt der Investor vor einem Schiedsgericht Recht, muss er letztlich vom Steuerzahler entschädigt werden. Auch beim geplanten Abkommen der EU mit Kanada (CETA) ist ein solcher Investitionsschutz vorgesehen.
„Freihandelsabkommen dürfen weder Arbeitnehmer- noch Verbraucherschutz-, Sozial- und Umweltstandards gefährden“, sagte Wetzel. „Wir lehnen jede Art von Investitionsschutzabkommen ab und erwarten, dass alle ILO-Kernarbeitsnormen von der US-Seite unterzeichnet werden. Ist auch nur einer dieser Punkte zweifelhaft, sagt die IG Metall „Nein“ zu den TTIP-und CETA-Verhandlungen.“ Es genüge nicht, wenn „versichert“ werde, Arbeits- und Sozialstandards seien nicht Gegenstand der Verhandlungen, sie stünden nicht zur Disposition, und es würde keine Verschlechterung geben! Fakt ist: Handelsliberalisierung führt zu mehr Wettbewerbsdruck auch und gerade auf Arbeits- und Sozialstandards.“
Mit einem Positionspapier will der Deutsche Gewerkschaftsbund mit der Bundesregierung eine gemeinsame Position zu den TTIP-Verhandlungen finden. Das steht laut Wetzel unter einem weiteren großen Vorbehalt: „Die IG Metall erwartet, dass die Bundesregierung den aktuellen Entwurf zum Handelsabkommen CETA mit Kanada ablehnt und dies auch auf EU-Ebene durchsetzt. Das ist die Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der Vereinbarung.“
Den geringen Wachstumseffekten von Handelsabkommen stehen große Gefahren gegenüber. Das gilt für den Verbraucher- und Umweltschutz ebenso wie für Arbeits- und Sozialstandards. Die IG Metall verlangt deshalb klare, verbindliche und durchsetzbare Regelungen zum Schutz und Ausbau von Beschäftigtenrechten sowie von Sozial- und Umweltstandards. Bisher haben die USA nur zwei der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert. Für die IG Metall ist es unabdingbar, dass die USA alle ILO-Kernarbeitsnormen ratifizieren und umsetzen. Dasselbe gilt für den Entwurf des Abkommens mit Kanada (CETA). Die geplanten Handelsabkommen haben aus Sicht der IG Metall nur dann wegweisenden Charakter, wenn Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechte den gleichen Stellenwert haben, wie der Wegfall von Zollschranken und Handelsbarrieren.
- Worum geht es beim transatlantischen Freihandelsabkommen?
- Was soll das Abkommen bringen?
- Welche Risiken bestehen?
- Wie ist die Position der IG Metall?
Worum geht es beim transatlantischen Freihandelsabkommen?
Zurzeit verhandeln Vertreter der Europäischen Kommission und der USA über eine transatlantische Freihandels- und Investitionspartnerschaft (TTIP – Transatlantic Trade and Investment Partnership). Ziel ist es, Zölle abzubauen, Standards beim Umweltschutz zu schaffen und technische Normen und Arbeitnehmerrechte anzugleichen. Kurz: Tarifäre und nicht-tarifäre Handelsbeschränkungen zwischen den USA und der EU sollen beseitigt werden. Auch beim geplanten Abkommen mit Kanada (CETA) sollen Zölle gesenkt und Regulierungen harmonisiert werden.
Tarifäre und nicht-tarifäre Hemmnisse
Tarifäre Handelsbeschränkungen sind etwa Zölle, die bei der Einfuhr von Waren in ein Land erhoben werden, was diese für den Verbraucher teurer machen kann. Die Ursachen für nicht-tarifäre Handelshemmnisse liegen meist in unterschiedlichen technischen Standards, Regeln zur Produktqualität oder gesetzlichen Vorschriften für Waren und Dienstleistungen. Das betrifft zum Beispiel etwa Lebensmittel, Medikamente oder Autos. Vor der Einfuhr von Waren ist deshalb nachzuweisen, dass sie die Kriterien des Ziellandes erfüllen. Das erhöht die Kosten für ihre Ausfuhr. Sind die Kriterien nicht erfüllt, kann der Import verboten werden. So dürfen zum Beispiel hormonbehandeltes Fleisch und mit Chlor behandelte Hühnchen nicht in die EU und französischer Schimmelkäse à la Roquefort nicht in die USA eingeführt werden.
Was soll das Abkommen bringen?
Mit dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA entstünde der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Der nahezu schrankenlose Handel soll laut Befürwortern die Produktivität steigern und die Importkosten und Preise für die Verbraucher senken. Ihr Versprechen: mehr Wachstum, mehr Wohlstand, mehr Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks. Die bislang dazu durchgeführten Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Verheißungen höchst ungewiss und die positiven Effekte auf Wachstum und Arbeitsplätze eher gering sind.
Welche Risiken bestehen?
Kritiker sehen durch die TTIP die Arbeits-, Sozial-, Produkt- und Umweltstandards in den Mitgliedsländern in Gefahr. Sie befürchten, dass diese als Ergebnis der Verhandlungen auf dem jeweils niedrigsten Niveau angeglichen werden. Das würde die Lebensqualität der Menschen in Europa und Amerika entscheidend verschlechtern. Die Öffnung des europäischen Marktes für Chlorhühnchen, Hormonfleisch und nicht gekennzeichnete, gentechnisch veränderte Lebensmittel wäre dabei nur eine Seite der Medaille.
Folgen des Investitionsschutzes
Gewerkschaften stoßen sich vor allem am Investitionsschutz. Denn ein auf die Interessen der Investoren zugeschnittenes TTIP stärkt die Macht der Konzerne. Dadurch werden die demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschaft massiv einschränkt.
Mögliche Folgen sind bereits heute zu beobachten: So hat der schwedische Energiekonzern Vattenfall die Bundesrepublik Deutschland wegen des Atomausstiegs auf Schadensersatz verklagt, weil das Stilllegen von Atommeilern den Gewinn des Unternehmens schmälert. Der Streitwert beträgt 3,7 Milliarden Euro, die – sollte Deutschland die Klage verlieren – vom Steuerzahler zu begleichen sind.
Zwar sind die USA Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), sie haben aber nur zwei der acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Nicht in Kraft gesetzt wurden Normen, die Grundlagen für gewerkschaftliche Aktivitäten und Tarifverhandlungen garantieren. Amerikanische Gewerkschaften befürchten deshalb, dass diese durch den geplanten Investitionsschutz auch in Zukunft nicht in den USA ratifiziert werden. Die Beispiele zeigen: Unternehmen können auf Grundlage des Investitionsschutzes das Stärken von Arbeitnehmerrechten oder höhere Umwelt-, Gesundheits- und Sozialstandards juristisch bekämpfen.
Wie ist die Position der IG Metall?
Wie das Abkommen derzeit angelegt ist, profitieren Wenige auf Kosten von Vielen. Deswegen steht für die IG Metall fest: Ohne eingebauten Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz kein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA! Die Gewerkschaft fordert Regeln, die Arbeitnehmerrechte, Sozial- und Umweltstandards auf einem hohen Niveau schützen.
Kein Investitionsschutz nötig
Das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA braucht aus Sicht der IG Metall keinen eingebauten Investitionsschutz. Die Rechtssysteme der Vertragspartner sind so weit entwickelt, dass sie Investoren ausreichend schützen. Der geplante Investitionsschutz würde den demokratischen Rechtsstaat untergraben, da er Unternehmen die Möglichkeit bietet, über private Schiedsgerichte nationale Gesetze und Gerichte zu umgehen. Damit würde der Handlungsspielraum demokratischer Staaten eingeschränkt. Die Zeche hätten die Steuerzahler zu zahlen: Sie müssten den ausländischen Unternehmen für ihre entgangenen Gewinne Schadensersatz leisten.
Bedingungen der Gewerkschaften
Die IG Metall und weitere DGB-Gewerkschaften würden dem Transatlantischen Freihandelsabkommen unter folgenden Bedingungen zustimmen:
- umfassende transparente und demokratische Beteiligung der Parlamente und der Zivilgesellschaften,
- klare, verbindliche und durchsetzbare Regelungen zum Schutz und Ausbau von Arbeitnehmerrechten sowie von Sozial- und Umweltstandards. Keine Behinderung sozialer ökologischer staatlicher Regulierung. Dazu gehört auch die Möglichkeit, die öffentliche Auftragsvergabe an die Einhaltung sozialer Bedingungen zu knüpfen,
- das Abkommen muss sicherstellen, dass für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mindestens dieselben Arbeitsstandards und -rechte gelten wie für andere Beschäftigte im Zielland,
- das Abkommen darf nicht zu einer Liberalisierung oder Privatisierung öffentlicher Bereiche – insbesondere öffentlicher Dienstleistungen – führen, oder Reregulierungen behindern,
- das Abkommen darf keine Regelungen zum Investitionsschutz enthalten, die zu einer Beeinträchtigung von Arbeitnehmerrechten führen könnten, oder die Möglichkeiten des Staates beschränken, sinnvolle Regelungen im Interesse der Bevölkerung oder der Umwelt zu erlassen.
- Für die IG Metall ist es eine unabdingbare Voraussetzung für das Abkommen, dass die USA die Kernarbeitsnormen der ILO ratifizieren und umsetzen.
Detlef Wetzel in der Frankfurter Rundschau: „Freihandelsabkommen sofort stoppen“